Dienstag, 31. März 2015

im März


das Gegenwärtigste vorab: ein paar Taschen vollgepackt und ins Auto geschleppt, uns dazu gesetzt, laaange gefahren, laaange mit einer Fähre übers Meer geschippert, und nun beginnen gerade unsere zwei Sizilienferienwochen
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ein Konzert mit András Schiff gehört – selten habe ich über zwei Stunden wie elektrisiert auf meinem Stuhl gesessen, gefangen in atemberaubender, intimer Musik
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eine Sonnenfinsternis in Volksfeststimmung auf unserem Schulhof erlebt
(und dazu die Tochter aus der Grundschule befreit, wo sie die Kinder hinter verschlossenen Vorhängen vor „diesen Strahlen“ schützten – ich hatte mich ja spontan bereit erklärt, der gesamten Tochterklasse mit Hilfe meiner zwei „Sofi-Brillen“ peu a peu einen Blick auf das Himmelsspektakel zu gewähren und dazu in der Klasse zu erklären, warum das jetzt nicht die Mondsichel ist, aber der Schulleiter wagte dies nicht zu gestatten, da keine schriftlichen Einverständniserklärungen aller Eltern vorlagen – immerhin gab er mir meine eigene Tochter mit hinaus ins gefährliche Licht :))
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nun, die Grundschulzeit geht dem Ende zu – den letzten dortigen Elternabend habe ich geschwänzt (zugunsten unseres Kollegiumsstammtischs), und seit letzter Woche ist die Tochter am Gymnasium angemeldet, an meinem nämlich, wie der Bruder
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apropos Bruder: die große Zimmerentrümpelungsaktion ist fast vollendet, radikal entsorgt er die Kindheit und plant ein Jugendzimmer, säckeweise trägt er Spielzeug, Bücher und vor allem die Kreativitätswerke seiner jungen Jahre nach draußen, was mich gleichermaßen erstaunt (diese Fülle!) und schmerzt (vorbei! nicht schon loslassen müssen!)
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und dann noch: Zahnspange ja oder nein? – ich argwöhne Geldverdienwillen der Kieferorthopädin, wanke und schwanke in der Entscheidung und habe so gar keine Lust, mich mit den Details dieses Themas auseinanderzusetzen
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erfreulicher wie immer unsere Musik-Erlebnisse:
Streichquartett- und Orchestervorspiel,
und beide Kinder zum Landeswettbewerb „Jugend musiziert“ begleitet (wo die Jury trotz mehrerer Patzer und suboptimalen Spiels, wie wir alle fanden, offenbar dem Zauber des Zusammenspiels des Sohn+Freundin-Duos erlegen ist und die beiden noch eine Runde weiterschickte)
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also: eine große Ferienwohnung in Hamburg gesucht und gebucht, gleich für die beiden Musiklehrer mit, so dass wir eine Pfingstwoche dort verbringen werden – damit muss ich dann leider meine ursprünglich geplante Italienradtour verwerfen bzw. verschieben
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in der Schule dies und das:
Abitur geschrieben (naja, nicht ich – aber man schreibt ja immer ein bisschen mit) und begonnen zu korrigieren
den Känguru-Wettbewerb für 300 Schüler unserer Schule geplant und koordiniert
Gutachten und Prüfungen – die genaue Zahl habe ich schon verdrängt
Tests in allen meinen Klassen geschrieben – und auf der Fähre gleich korrigiert, damit dann wirklich endlich Ferien sein können:
kurz vor Sonnenuntergang, auf der Höhe von Sardinien, war ich tatsächlich fertig, packte den Rotstift weg, trat an Deck in Wind und Sonne hinaus und sah ringsum Meer, Meer, Meer …

Sonntag, 15. März 2015

in die Woche geblickt #7


dankbar
für einen Sonntag wie diesen: wir haben ihn (fast) im Schlafanzug verbracht und uns immer wieder gegenseitig angestrahlt, wie wunderbar dieses Herumschlumpern ist


berührt
heute wärest du 100!
(und darum trug ich den ganzen Tag deine Strickjacke und das Tuch, das mich sehr mit dir verbindet)



begegnet
eine richtige Wow-Woche, was Gespräche und Begegnungen angeht: da waren so viele unerwartete Dialoggeschenke - auf dem Schulflur, in der Mailbox, am Telefon, und sogar in einer Prüfungskommission


gespürt
wie gut der Wochenanfang in der warmen Frühlingssonne tat, als ich nämlich nach dem vergutachteten Wochenende, lustlos und deprimiert, mit aufziehendem Schnupfen, eine Nachbarin in T-Shirt und Sandalen im Garten werkeln sah, da packte es mich plötzlich, unversehens waren Gartenschere, Besen und Lappen in meiner Hand, und zwei Stunden später saß ich auf der neuerstandenen Terrasse, zwar schon wieder mit Schulsachen, aber voller Kraft und Glück über den ersten Barfuß-Sandalen-Tag des Jahres - wie schnell Aufwachen sich vollziehen kann ...



geübt
mit dem Pubertierenden gemeinsam Wege zu finden, wie wir sein Zimmer staubarm halten können - dass er in seinem allergieangeschlagenen Zustand kein Staubtuch in die Hand nehmen sollte, verstehe ich, daher also wird es an mir sein - aber dass ich dazu jedes Mal eine Million Gegenstände anheben und umwenden soll ...?
unser Gespräch darüber, wie man diese Krimskrams-Million verringern/sortieren/bündeln/stapeln/ausmisten/staubarm aufbewahren kann, waren heute am Vormittag noch sehr lautstark emotional, gegen Nachmittag fanden wir zu einer gewissen Diskussionskultur zurück - wir üben weiter;
und mal wieder staune ich, wie erwachsen er schon ist, nicht nur bei der Schuhgröße (immerhin muss ich meine eigenen noch ausziehen, um in seine schlüpfen zu können:))




geteilt
einen Berg Mount Everest aussortierter Kinderklamotten mit den uns "abtragenden" Familien - die "zuliefernden" Familien hatten Tüten und Taschen voll angeschleppt, die Kinder haben brav ihren Schuss in Höhe und Breite gemacht, und wieder ist ein Kubikmeter Schrankinhalt ausgetauscht



mir selbst geschenkt
haltet mich für verrückt, so wie auch der Lehrbuchausleih-Kollege reagierte ("Ja, spinnst du denn?"):
ich habe mir Lateinbücher geholt, weil ich es endlich wieder lernen will; von meinem Latinum in den 90er Jahren ist nichts mehr übrig bis auf die Faszination, und nun also werde ich's mit den Büchern meiner Kinder neu lernen; die ersten Lektionen gingen schnell (nur Vokabeln halten nicht so gut wie damals, ist ja klar), ich versinke in den ersten Sätzen, die ich wieder lesen kann, es wird Zeit für die erste Klassenarbeit:)



Samstag, 14. März 2015

unvertauschbar


"Die Unbedenklichkeit, mit der wir in bezug auf ein bestimmtes Leben sagen: 'so und so viele Tage, Wochen, Jahre', ist eine Täuschung, welche dem Ernst der Einmaligkeit auszuweichen sucht. Wir schieben dabei die mechanische Gleichförmigkeit der abstrakten Stunden oder Tage vor. In Wahrheit sind jede Stunde, jeder Tag, jedes Jahr lebendige Phasen unseres konkreten Daseins, deren jede nur einmal kommt, da sie eine unvertauschbare Stelle in dessen Ganzem bildet.
Darin, daß jede neu ist, noch nicht da war, einzig ist und für immer vergeht, liegt ja auch die Spannung des Daseins; der innerste Anreiz, es zu leben. Sobald er nicht mehr empfunden wird, entsteht ein Gefühl der Monotonie, das sich bis zur Verzweiflung steigern kann. ebendaraus erwächst aber auch die Schwere der Tatsache, daß nichts Vergangenes einzuholen ist, und damit die Not des Verloren-Habens."
(Romano Guardini: Die Lebensalter)

Nein, ich würde es nicht "Not des Verloren-Habens" nennen. Aber hin und wieder überkommt mich Wehmut über Vergangenes, das ich damals nicht als "unvertauschbar", sondern als stets und beliebig zu wiederholendes gelebt habe. Irrtümlich. Ich war jung.

Und jetzt?
Ob ich inzwischen älter bin?


Dienstag, 10. März 2015

in die Woche geblickt #6


dankbar
dass wir in einem Land leben, in dem man einfach so zu Ärzten gehen kann, wenn das Kind (oder man selbst) es braucht, und wo man - oft sogar in warmherziger Atmosphäre - eine professionelle Behandlung bekommt, ohne dass man sich auf Jahrzehnte hinaus verschuldet - oh, wie ist mir das in diesen Tagen wieder bewusst geworden (man vergisst das zu leicht, in Zeiten des allgegenwärigen Meckerns über Ärzte und Gesundheitssystem)
(nein, es geht nicht um Schnupfen - auch wenn der mich gerade fest im Griff hat)



berührt
von der besonderen Lebensfreude, die aus diesem Film strahlt



begegnet
meiner Tochter in meinem eigenen Matheunterricht; weil nämlich die umliegenden Grundschulen in diesen Tagen bei uns "schnuppern" kommen, da ergab es sich (nicht ganz zufällig:)), dass sie plötzlich bei mir auf der Schulbank saß; es war für uns beide aufregend, uns gegenseitig aus der ungewohnten Perspektive zu erleben; und als wir am Nachmittag wieder unter uns waren, befanden wir, dass die jeweils andere ihre Sache in ihrer Rolle ganz schön gut macht :))



gespürt
dass Seketärin wirklich kein Beruf für mich wäre - Erkenntnis nach sechs telefonischen Terminvereinbarungen, im Schnitt drei Anläufe brauchend, Rückrufe wegen inhaltlicher Absprachen noch nicht einberechnet (ich = Telefonheldin des Tages);
und dann eine riesige Sehnsucht nach alltäglichem Feierabend, nach dem Gefühl, so gegen halb zehn abends (um nicht allzu unrealistisch zu sein) alles fertig zu haben, alles weglegen zu können, vor dem Schlafengehen noch ein wenig bei mir sein zu dürfen - seit Jahren kenne ich Feierabend quasi nur als Wochenend- und Ferienereignis ... mein Gespür sagt mir, dass ich auf Dauer so nicht weiter mit mir umgehen darf



geübt
in all den Telefon- und Nichttelefontagen ein paar Alltagsmomente mit Atem zu füllen (und nicht nur mit Keuchen) - es ist schwer im Moment, so schwer, dass ich manchmal glaube, mich verloren zu haben



geteilt
beim Tag der offenen Tür mit der Tochter die Vorfreude auf ihre neue Schule - wie sie zusammen mit ihren Freundinnen diese neue, sie bald täglich umgebende Welt anstaunte und sich voller Neugierde hineinwarf - hach



mir selbst geschenkt
weil es draußen und drinnen karg aussah, habe ich mir einen Frühlingsblumenhoffnungsgruß auf meinen Gutachtenschreibtisch gestellt - das hilft!



Montag, 2. März 2015

im Februar


Schneeferien in Norditalien, mit mehr Sonne als in manchen Jahren, und mit mehr Bedauern, nach einer kurzen Woche schon wieder abfahren zu müssen, reichte diese doch kaum zum Luftholen
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aber doch: in dieser einen Woche mehr Zeit mit den Kindern verbracht als sonst in einem ganzen Monat - das tat uns allen gut
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sie werden groß: fünf Milchzähne wurden mir diesen Monat in die Hand gedrückt, alle selbstherausgezupft, ohne dass ich es mitbekommen hätte
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Grundschulempfehlungsgespräch und -brief für die Tochter bekommen: sooo schnell geht also die Grundschulzeit vorbei (und dass in ihrer Halbjahresinformation die schlechteste Note bei "Schrift und Gestaltung" steht, das möchte ich fast mit ihr feiern; wobei sie die Gründe dafür wohl noch nicht verstehen könnte, daher freue ich mich still im Innern)
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Premiere: diesmal kollidierten unsere Elternabende nicht, so dass ich erstmals den des Sohnes als Mutter an meiner eigenen Schule besuchen konnte - das hatte was:))
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ebenfalls erstmals als Mutter erlebe ich eine GFS ("Gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen" - das sind Schülerpräsentationen mit der Gewichtung einer Klassenarbeit, ab der 7. Klasse zu erbringen): nun erst erschließt sich mir die weitverbreitete Deutung "ganze Familie schafft" in voller Tragweite; ja, ich muss mich sehr zurückhalten, nicht immerfort bei seinen Vorbereitungen dazwischenzuspringen (gerade weil er es selbstständig und großartig macht)
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immer noch Musikintensivzeit der Kinder: der Monat begann und endete mit einem Preisträgerkonzert, die Kinder versuchen sich für die nächste Wettbewerbsrunde zu motivieren und das Proben wiederaufzunehmen, dazu eine dreitägige Orchesterfahrt des Sohnes und ein Kammerkonzert der Schule
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auch ich, nun wieder mit regelmäßigen Klavierstunden versehen, übe im Moment mehr als sonst - das schenkt Oasemomente in der Alltagsdürre
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ja, Dürre im Innern: mit Überflutungsgefühlen, die kaum durch irgendwelches Tun besänftigt werden, mit Ansätzen von Resignation vor den Türmen, die nie zu bewältigen sind, gerüttelt zwischen Phasen von Dumpfheit und Starre
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die Liste, was mir fehlte und fehlt, wäre lang: nichtgefühlte Gefühle, nichtgedachte Gedanken, nichtbegegneten Menschen, nichtgeschriebene Texte, nichtgelesene Bücher, nichtfotografierte Bilder, nie vorhandene Feierabende und Wochenenden
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lang auch die Schulaufgabenliste (was ja damit zusammen hängt):
Antimobbingtage in meiner 6. Klasse
Elternsprechtag, Elternabend und GLK (Gesamtlehrerkonferenz)
letzte Matheklausur im Leben meiner 12. Klasse mitdurchlebt (und korrigiert) - nun bleibt nur noch das Abitur
Fahrt mit Kollegen zu einem Didaktik-Kolloquium in die Nachbarstadt
Schüler bei Mathewettbewerbsvorbereitungen unterstützt - und einige Preise verteilen dürfen
Referendarsprüfungen noch und noch - und ein nichtkleinerwerdender Stapel schriftlicher Prüfungsarbeiten liegt hier immer noch
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besonderes Schul-Highlight dieses Monats: mit drei Schülerteams an die hiesige Uni zu einem Mathematikwettbewerb gefahren - für uns mitgereiste Lehrer war es eine Zeitreise, das mathematische Institut sieht aus, riecht so, hallt so, hat dieselben Briefkästen, dieselben vergilbten Schilder wie vor 20 Jahren - nur die Professorennamen sind gänzlich neu
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ein Ausblick: das Fahrrad fährt noch, das habe ich gestern in erstem Frühlingswetter ausprobiert, wenn auch nur zum Abholen von Klausuren aus der Schule: es bewegt sich, ich bewege mich, habe sogar den steilen Anstieg zu uns auf den Berg geschafft - ein Fahrradjahr liegt vor mir