Donnerstag, 30. Dezember 2010

Wegweiser

Der große Bücherstapel - ich nehme Buch für Buch in die Hand: welche gehen mit, welche bleiben hier? - schlage sie hier und da auf - sinne den Worten nach - da streift mein Blick dieses hier:

Geh, verlaß die Heimat,
die Welt, darin du geboren bist,
darin du dich eingerichtet hast –
das Haus voll von den Namen der Dinge, die um dich sind,
laß alles, was dir die Sprache über sie zu wissen gibt,
laß auch alles, was dir die Wissenschaft über sie vorspricht,
laß auch die Begriffe, mit denen du nach den Dingen greifst –
laß dieses Haus hinter dir, geh!

Dann wirst du, vielleicht wirst du dann dem Anderen begegnen,
für das du weder Namen noch Wissen noch Begriffe hast,
dem ur- und ingründig Wirklichen und Wirkenden begegnen.

Du wirst schauen ...
Dann ist kein Ding mehr,
was es dir zuvor gewesen,
ein jedes, eins um das andere,
wird dir einen Namen sagen, den du nicht nachsprechen kannst.

Und dann wird dir,
vielleicht wird dir dann aus allem und jedem,
das um dich ist, das Unnennbare erscheinen,
und du wirst jene Stimme hören,
die du noch nie gehört,
sehr nah und gewaltig wirst du sie rufen hören:
ICH BIN DA!


(Fridolin Stier)


Ich fühle mich von diesen Worten ganz sanft an die Hand genommen - dieses Buch steckt jetzt ganz oben im Rucksack. Damit ich eine Ahnung bekomme, wohin ich gehe ...

Ich wünsche auch Euch gute Wegweiser! Für den morgigen Tag, an welchem die Jahreszahl umgeblättert wird, vor allem aber für die vielen folgenden Tage, an denen wir nur im Innern Dinge umblättern (und was heißt hier "nur" ...).

Danke für Eure guten Wünsche - ich nehme sie alle, alle mit!
Und das Meer werde ich ganz innig grüßen.
Danke!

Auszeit

Morgen um diese Zeit sitze ich schon im Zug. Ans Meer ...

Ich mit mir allein.
Und mit Schreibblock und Stift. Briefpapier und Postkarten.
Der Laptop darf auch mit. Es gibt so viel zu schreiben.
Die Kamera sowieso.
Und ein riesiger Bücherstapel auf dem Boden: Ich weiß noch nicht - welche dürfen in die Tasche einsteigen, welche müssen draußen bleiben? (Ein paar Stunden habe ich noch Zeit für die Entscheidung ...)
Mit all diesen Begleitern verreise ich morgen.

Wind und Sturm im Gesicht - Meer und Wellen als Lehrer mir vor Augen - Schnee und Weite unter den Füßen - ich werde mich mitten hinein begeben in all das.
Vor allem aber:
Ich werde mit mir allein sein - ich werde mich ganz für mich haben.
Eine Auszeit - um wieder Schritte setzen zu können, um wieder zu mir zurückzufinden.

Wenn die Schule beginnt, werde ich wieder zurück sein.
(Das ist bei uns hier im Süden ja erst viel später als woanders :))

Freitag, 24. Dezember 2010

Christnacht

Nacht musste es auf Erden sein,
Als über ihr der Himmel aufgegangen,
Und sie, im lichten Strahlenschein
Die Kunde von dem Heil der Welt empfangen.

Still musste es auf Erden sein,
Als Engel Dich, das Heil der Welt, besangen,
Und in die dunkle Nacht hinein
Die Worte der Beseligung erklangen.

Und still und dunkel und allein,
Voll Sehnsucht und voll heiligem Verlangen
Muss auch noch jetzt die Seele sein,
Die Dich, o Licht des Lebens, will empfangen.


(Auguste v.u.z. Egloffstein)

Ich weiß nicht, wie sich diese Worte lesen, hat man keine Musik dazu im Ohr. In mir singen und klingen sie immer in der Melodie, der wunderbaren, die ich in den vergangenen Stunden so oft gehört habe.
Hier könnt auch Ihr sie anhören (man muss einen kurzen Moment Geduld haben und kann es dann im oberen schwarzen Feld anschalten).

Ich wünsche Euch ein ruhiges, gesegnetes Weihnachtsfest mit Licht und Liebe!

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Fertig!

Tatsächlich, gerade eben habe ich es geschafft: Korrekturfrei in die Feiertage. Und noch viel länger: am 14. Januar erst schreibe ich nämlich die nächste! Ein Juchhu-Gefühl stellt sich, ein gänzlich unweihnachtliches.
Und wenn man den ganzen Tag dumpf an diesen Klausuren saß, dann ist "Tempo kleine Schnecke" genau vom richtigen Schwierigkeitsgrad für den eingeschläferten Geist:))  Nein, auch mehrere Durchgänge dieses Tochter-Hit-Spiels in der "Maxi-Version" (bis jeweils die allerletzte Schnecke ins Ziel gekrochen ist) werden nicht langweilig, nach diesen Klausuren.
Die Tochter war glücklich.
Und ich such jetzt mal nach meinem Ferien-Feiertagsgefühl ...

Erster Ferientag

Die Weihnachtsferien sind wohl meine am meisten herbeigesehnten Ferien im Schuljahr, wird mir heute mal wieder bewusst. Vor übergroßer Erschöpfung war ich gestern gegen 10 Uhr im Bett: ich glaube, das ist einmalig im Jahr!

Heute Morgen ohne Wecker, ruhiges Frühstück, mein letzter Klausurstapel wartet auf mich, der Sohn beschäftigt sich mit dem Vater und mit sich selbst, lediglich die Tochter geht noch in den Kindergarten. Genau das aber gefällt ihr plötzlich nicht mehr: dass wir alle zu Hause bleiben, nur sie nicht. Sie möchte gern, dass ich auch noch in die Schule gehe :)

"Nein", sage ich, "dort ist heute niemand mehr, und dann wäre ich doch ganz allein auf den langen Fluren und in den großen Zimmern, was soll ich denn dort?"
Das empathische Kind versteht die Situation vollkommen, und dass dies natürlich kein wünschenswerter Zustand ist, so ganz allein in einem riesigen Haus zu sitzen.
"Du kannst aber auf dem Schulhof spielen. DA ist es bestimmt nicht langweilig!"
"Na, ich weiß nicht, da kommt doch heute auch niemand mehr hin."
"Doch, vielleicht kommen noch ein paar Kinder, dann kannst Du mit denen spielen?"
"Aber Tochter", wende ich ein, "das sind doch dann Kinder, und ich bin dort die Lehrerin, die lassen mich vielleicht gar nicht mitspielen?"
"Na gut", lenkt sie ein, "dann bleibst Du eben zu Hause."
Und so blieb ich eben zu Hause :)

(Gleich korrigiere ich weiter. Das Ziel - korrekturfrei in die Weihnachtstage - ist nah ...)

Meine Kinder und die Musik

Nun, er spielt sicher ganz gut. Vermutlich sogar sehr sehr gut, für sein Alter. Dennoch hat die Klavierlehrerin lange überlegt, ob wir ihn zum Wettbewerb anmelden sollten. Wir mit ihr, sie mit ihm, wir mit ihm, wir alle zusammen haben überlegt. Immer wieder: "Sohn, willst Du das auch wirklich?"
Ja, er wollte.
Und so meldeten wir ihn an.

Neulich schon, als ein paar von den Musikschullehrern bei uns zu Gast waren, ein flaues Gefühl in mir. Da hieß es, gerade bei Geige und Klavier wäre es ganz verrückt: wahnsinnige Eltern, gepuschte Kinder, monatelang getriezt auf diesen Tag hin, und dann brächen Welten zusammen, wenn es "nur" zum 1. Preis reiche, aber ohne Weiterleitung zum Landeswettbewerb. Auf solcherart Zustände träfe man dort. Zum Glück sei es in Altersklasse 1b noch nicht gar so schlimm, denn da gibt es noch keinen Landeswettbewerb.

Oh je. SO hatte ich mir das nicht vorgestellt. Zum Glück gehört er noch zu 1b, in die Altersklasse, wo es wohl noch nicht so heftig sei. Zum inneren und äußeren Kampf sollte die Musik ja nun nicht werden. Manchmal möchte ich ihn da wieder rausholen, die Anmeldung zurückziehen. Doch das will ER nun nicht mehr.

Ich verdrängte das eine Weile. Bis vorgestern die Anmeldebestätigung im Briefkasten lag. Da steht sein Name schwarz auf weiß: 11 Uhr 05, an einem Samstag im Januar. Vor ihm und nach ihm Dutzende anderer kleiner Klavierspieler. Wieder in mir: Oh je.

Erste Auswirkungen bei ihm - setzt er sich selbst oder setzen unbewusst wir ihn unter Druck? Jedenfalls hatte er bisher seine Musikschulvorspiele immer lässig, unberührt, gelassen absolviert. Fast als ginge ihn das nichts an, ohne spürbares Lampenfieber. Am Samstag beim Adventskonzert erstmals: "Ich bin so aufgeregt." Und erstmals verspielte er sich vor Nervosität.
Da kann ich für mich ganz klar sein: Es ist unwichtig, nur ein Wettbewerb, es kommt auf nichts an. Er scheint es anders zu erleben ...

Oh je.

***

Bei der Tochter noch keinerlei diesbezügliche Aufregung. Sie singt, klimpert, trällert, trommelt frei von der Leber weg. Und geht seit Jahren davon aus, dass bald auch sie in die Musikschule gehen wird. Wir schoben es ein wenig hinaus.

Bei einem Konzert im Sommer sah sie eine kleine 5jährige Cello spielen. Das hat sie tief beeindruckt. Seither bewegt sie ihre Arme zur Musik immer wieder in Cello-Haltung :)

Nun, warum nicht? Der Cellolehrer unserer Musikschule unterrichtet viele 5jährige, er scheint mit so jungen Schülern gut arbeiten zu können. Und die Tochter will und freut sich. Ein Achtelcello zur Ausleihe ist verfügbar - warum also nicht?

Sagten wir ihr also: im März, nach den Winterferien geht es los.
Seither zieht sie sich meine zwei großen Balkanflöten aus der Schublade: Die eine hält sie senkrecht zwischen den Beinen, mit der anderen streicht sie drauf herum.

Ich glaube, wir müssen schleunigst das Cello ausleihen und ihren Unterricht starten lassen, bevor meine Flöten ganz zergeigt sind :)
(Und als ich in ihrer Gegenwart davon erzähle, korrigiert sie mich: "Zercellt, nicht zergeigt!" :)))

Montag, 20. Dezember 2010

So verwirbelt ...

... waren meine letzten Wochen ...

Viel Unblogbares im "echten" Leben, das Schreibruhe und -stimmung entgegenstand, mich taumeln und zuweilen straucheln ließ. Kräftezehrend, sehr.

Der Rest meiner Kapazitäten verbrauchte sich bei Dingen, die nun auch niemand hier lesen will.
Oder soll ich erzählen?
Von 25 Mathe- und dann 100 Physik-  und jetzt schon wieder 20 Mathekorrekturen?
Und davon, wie wir hier in der Schule alle - Lehrer wie Schüler - auf dem Zahnfleisch gehen?
Und nicht mal Zeit haben die Frage zu wälzen, warum das eigentlich immer in der Adventszeit so heftig kommen muss?
(Doch doch, insgeheim hat mich die Frage umgetrieben: solange das Schuljahr jedoch nicht wie früher zu Ostern beginnt oder wir nicht wie andernkontinents in Trimestern arbeiten, und solange die großen Ferien bitteschön im Sommer zu sein haben, solange wird sich der Halbjahreszeugnistermin nicht aus dem Januar wegbewegen, und solange werden Schülerfüller und Rotstifte mit den Adventskerzen um die Wette glühen, leider ... Doch wohl niemand will solche Gedanken im Moment hören ...)

Jedenfalls:
Hier war es still, aus mancherlei Gründen. Doch allmählich merke ich, dass ich mich vermisse. Also: dass ich mein Schreib-Ich vermisse.
Versuche ich es mal wieder: ab und zu hier was zu notieren - übermorgen sind ja Ferien und damit ein bisschen mehr Zeit und Raum. Versuche auch endlich die Kamera wieder auszupacken, welche seit Wochen still und traurig vor sich hinruht  ...

(Und sehr berührt bin ich ob der besorgten Nachfragen - ich danke Euch!)

Donnerstag, 25. November 2010

schneebedeckt

Große weiße Flocken vor dem Fenster.
Die Dächer, die Blätter, die Zweige, die Wege unter einer weißen Decke.
Wie man das vergessen kann, im Laufe eines langen Jahres ...

Ich stehe staunend am Fenster.
Worte finden sich keine, Bilder lassen sich nicht aufnehmen. Zu wenig sind mir Stimme und Auge derzeit Instrument des Sagens, des Werdens.
Aber mich umfängt Besänftigung. Das schneebedeckte Sein vor dem Fenster führt mich in Ruhe und Frieden zurück. Unter einer weißen Decke ist verborgen das Alte und das Neue gleichermaßen ...

Sonntag, 21. November 2010

Nur eine Rose als Stütze

Ich richte mir ein Zimmer ein in der Luft
unter den Akrobaten und Vögeln:
mein Bett auf dem Trapez des Gefühls
wie ein Nest im Wind
auf der äußersten Spitze des Zweigs.

Ich kaufe mir eine Decke aus der zartesten Wolle
der sanftgescheitelten Schafe die
im Mondlicht
wie schimmernde Wolken
über die feste Erde ziehen.

Ich schließe die Augen und hülle mich ein
in das Vlies der verläßlichen Tiere.
Ich will den Sand unter den kleinen Hufen spüren
und das Klicken des Riegels hören,
der die Stalltür am Abend schließt.

Aber ich liege in Vogelfedern, hoch ins Leere gewiegt.
Mir schwindelt. Ich schlafe nicht ein.
Meine Hand
greift nach einem Halt und findet
nur eine Rose als Stütze.



(Hilde Domin)

Montag, 15. November 2010

Ich suche nicht - ich finde.

Suchen ist, wenn man von alten Dingen ausgeht
und im Neuen das bereits bekannte wiederfindet.
Finden ist etwas völlig Neues,
neu auch in der Bewegung.
Alle Wege sind offen, und was gefunden wird,
ist unbekannt.
Es ist ein Wagnis, ein heiliges Abenteuer.

Die Ungewissheit solcher Wagnisse
können nur jene auf sich nehmen,
die im Ungeborgenen
sich geborgen wissen,
die in die Ungewissheit,
in die Führerlosigkeit geführt werden,
die sich im Dunkeln
einem unsichtbaren Stern überlassen,
die sich vom Ziel ziehen lassen
und nicht menschlich beschränkt
und eingeengt das Ziel bestimmen.

Das Offensein für jede neue Erkenntnis,
für jedes neue Erlebnis
im Außen und Innen,
das ist das Wesenhafte des modernen Menschen,
der in aller Angst des Loslassens
noch die Gnade des Gehaltenseins
im Offenbarwerden
neuer Möglichkeiten zulässt.

(Pablo Picasso)

(Mir heute zugeflogen in das Schweigen hinein. Danke, dass Ihr hier auf mich wartet.)

Dienstag, 9. November 2010

Losgegangen ...

... bin ich vorhin, schon spät in der Nacht, aus meinem Haus, aus meinem Gehäuse. Hinaus auf die Felder, die dunklen, nachthimmelbedeckten, unsichtbarfeuchten Felder.

Es war eisregenkalt, und ich habe nicht gefroren.
Es war unwegsam, und ich habe den Weg gefunden.
Es war dunkel, und ich hatte keine Angst.



Dort saß ich, am weitesten Punkt meiner Nachtreise. Schaute auf den Weg, der mich hierher geführt hatte. Und auf den Weg, der mich von hier wieder wegführen würde.



Diese besuchte ich, diese ungleichen Freunde - oder sind sie zwei Seiten ein und desselben? Es zog mich zu ihnen, zu ihrem nahen Beieinander von Kargheit und Fülle, von Kraft und Schwäche. Lehnte mich an sie an, an beide, zu lauschen und zu tasten und zu riechen und einzuatmen, was sie mir mit auf den Weg geben können. Ich nahm es mit.

Nun bin ich wieder daheim. Gestärkt. Wirklich daheim.

Samstag, 6. November 2010

Mitte

Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dorf treffen wir uns.
(Rumi)

Montag, 1. November 2010

Planänderung: auch gut

Da die Tochter morgens blass und matt einen kleinen Infekt zwischen Spuckschüssel, Kuschelbett im Wohnzimmer und Vorlesearmen des Bruders auskurieren muss, können wir nicht wie geplant ins Landesmuseum - neuerdings neudeutsch Technoseum genannt - fahren.
Macht nix, der Strahlesonnenschein ist ohnehin kein Museumswetter. Und zwischendurch ziehen wir uns zu einer Bilder-Erinnerungsreise an den Laptop zurück. "Fahren" ins Deutsche Museum zurück - auf der Tschechien-Heimfahrt nämlich waren wir zwei Tage in München. Die wir fast nur in den Museumshallen verbrachten:


Beim Papierschöpfen ...







... und in der Geschichte des Buchdrucks:






Dem Glasbläser zuschauen ...



... und andere Drehungen selbst probieren:






Alte Autos und sonstige Gefährte anschauen ...








... und wieder einmal erstaunt sein, wie "klein" die Welt heutzutage geworden ist. Auf dieser Netzkarte aus den Anfängen des Eisenbahnverkehrs abzulesen: Frankfurt - Mannheim: 3h15min!




Erinnerungen kommen hoch: Richtung Erkner, zwei vor der Endstation aussteigen - da wohnte er, mein (fast) erster Freund.


Und ja, so sah es aus, damals in der S-Bahn. (Und es roch auch noch so!!!)



Diese hatten wir auch: erst den einen, dann den anderen :)





Wir fliegen ein wenig in der Geschichte herum ...






... und die Kinder probieren es auch selbst:



Eine Sonnenansicht leuchtet ...



... und das Universum fliegt als Film vorbei:











Die Tochter versucht das Geheimnis Schwarzer Löcher zu ergründen ...



... und die Mutter die Krümmung des Universums aufs Bild zu bannen :)



So war das auf unserer Museumsreise, der heutigen, virtuellen. Vielleicht klappt das mit der echten nach Mannheim morgen oder übermorgen ...

Kaum zu glauben

Heute, bis eben:
Auf der Terrasse gesessen - gelesen - gewärmt worden. Ohne Pullover, ohne Jacke, ohne warme Socken.
In hellster Sonne - rote Blutbuche, gelbe Trompetenwinde, grüner Maulbeerbaum. Blätterleuchten und Spinnwebenreflexionen.
So warme Sonne auf der Haut - im November!

Sonntag, 31. Oktober 2010

Abendgedankenwege



Was wir uns später
zu sagen haben werden,
können wir nur ahnen, auch
Worte habe ihre Zeit und lassen
sich nicht aus der Zukunft
hervorziehen nach Bedarf.
Zu wissen, dass sie einmal da sein
werden, ist viel.

(Christa Wolf)


Freitag, 29. Oktober 2010

Herbstferien!

Vor mir liegt sie, die Woche:

gemächliches Aufstehen am Morgen und gelassenes Langewachbleiben am Abend,
lesen und vorlesen,
Landesmuseum und Stadtbücherei,
Ausflüge und Kurzbesuche,
Freundinnenkaffeetrinken,
Herbstblätterfarbengenießen,
lesen und vorlesen (sagte ich das schon?),
ein bisschen Schule (zwei Klausuren und eine Fortbildung vorbereiten, und waren da nicht noch die Jahresarbeitspläne?),
Beihilfe und sonstiger Ämterkram,
Kinderwinterschuh-Gummistiefel-Schläppchenkauf,
Familienfriseurbesuch,
Hochbettbau und Lebkuchenhausteig,
lesen und vorlesen (sagte ich das schon?),
Sauna und Filmabend bei Nachbars,
Morgen- und Abendspaziergänge,
Mail-Brief-Schreiben,
Fotografieren und - ja, C., wenn ich's schaffe, melde ich mich an :),
lesen und vorlesen (sagte ich das schon?)
...

Vermutlich wird irgendwann mittendrin der erste Schultag vor der Tür stehen. Der kommt immer so überraschend :)
Na ja, heute war erstmal der letzte ...

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Morgenstunde

Oder eigentlich waren es ja zwei - zwei Stunden, die ich mir, die sich mir geschenkt haben, vorgestern früh, als die Familie aus dem Haus gegangen und die Sonne noch nicht hinter dem Berg hervor gekommen war. Da zog es mich auf die Felder. Den Schulschreibtisch ließ ich liegen, die Kamera nahm ich mit. Und mich mit meinen Grübelgedanken, mit dem Düsteren der vergangenen Tage, mit meinen Ängsten und Fragen und Zweifeln und Lähmungen.

Vielleicht hatte mich frühmorgens schon der Mond hinausgelockt. Treu begleitete er mich den ganzen Weg über - und wieder einmal denke ich, warum ich das Offensichtliche manchmal so gar nicht wahrnehmen kann.
Auf diesem Morgenstundenweg nehme ich ihn wahr, und wie ...










Bald auch die Sonne, hier in ersten Baumspitzen zu erahnen, ...



... und überraschend plötzlich wird der schattige Mais sonnengoldfarben.




Ich drehe mich um zu den Lichtfäden, zum Lichtnetz, und es wird warm.






Warm wird es mir auch, als ich das viele Reifweiß sehe, in das Blätter und Halme gehüllt sind. Weil die zarten Pflanzen es so wunderbar vermögen, sich vor schmerzlichem Kalt zu schützen, sich gar damit zu schmücken? Weil jedenfalls ihre Konturen viel deutlicher werden, weil manche Pflanze, manche Form mir erst durch den kalten Reif sichtbar wird. Und wieder dieses: warum sehe ich so oft nicht ...
























Ich finde mich staunend in dieser Weite wieder ...






... und habe Nebelseen unter und hinter mir gelassen - für den Moment.






Manches ist leise zu erahnen durch den Nebel hindurch ...






... manches tritt vor diesem Hintergrund klar hervor ...






... und irgendwo inmitten von all diesem bin ich.
(Hier übrigens mein Schatten wohlgeborgen im Baumschatten.)




Für einen Moment zieht ein Nebelstreif aus dem Tal hinauf zu mir - überraschend schnell verliert der Himmel sein Blau, um es gleich darauf wieder zu gewinnen.




Allerorten begegnen mir faszinierende Baumgestalten ...








... ich finde mich in ihnen und unter ihnen wieder.






Sehe letzte Blätter ...






... deren Geschwister ihre Reise zum Boden bereits angetreten haben ...




... und mir dort zum Lichtspiegel werden.












Lichtspiegel, sich verwandelnde.




Ich sehe letzte Früchte ...






... und finde eine Winterahnung, die mir noch nicht so recht einladend wirkt ...




... oder doch:
Ertappe mich bei dem Gedanken, wann die Kinder wohl anfangen werden, auf diesen Pfützen zu schlittern.
(Ja, das ist Eis!)




Und bin doch für heute froh, eine sonnige Bank zu finden. Halte dort inne, bevor ich wieder nach Hause gehe.




Einmal mehr hat sich mir eine Ahnung des Hauchzarten eröffnet, das im Leben trägt, immer wieder Licht schenkt.




Gute Schritte, die ich da hinaus gewagt hatte, an jenem Morgen.


PS.
Noch nie habe ich so viele Bilder in ein Post gestellt. Ich bin mir bewusst, dass das viel ist, viel zu viel. Dass so manche(r) ungeduldig oder gleichgültig oder auch gar nicht bis zum Ende gescrollt hat. Die Frage, ob ich hier so viele Bilder "zumuten" darf, ist kein Fishing for Widerspruch, ganz und gar nicht, die stand gestern und heute hemmend in mir. Als ich mich nämlich nicht entscheiden konnte. So ganz und gar nicht entscheiden konnte. Und kurz davor war, das Post deswegen ganz zu lassen.
Heute Morgen habe ich sie einfach weggeschoben, diese Frage, und mir gedacht, dass ich doch nicht den Tag damit verbringen werde, Dinge zu entscheiden, die ich hier und jetzt überhaupt nicht entscheiden kann. (Was für so vieles im Leben gilt, übrigens.)
So ist das mit den Entscheidungen. Und deswegen sind hier so viele Bilder. Wollte ich nur gesagt haben :)